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  • AutorenbildUrsula Wohlrab

Das Leben geht weiter - ohne mich

Aktualisiert: 18. Sept.

Ich habe grauenvolle Angst. Angst zu verschwinden, mich aufzulösen und nicht mehr Teil des Lebens zu sein. In jeder schweren Erschöpfungsphase, in der ich nichts kann, ausser komatös vor mich hin zu vegetieren, dreht sich die Welt weiter und die Zeit verrinnt. Alles ist im Wandel und voller Entwicklung, während ich erstarre.


Wenn ich dann - nach Stunden, Tagen, oder Wochen - endlich wieder auftauche, ist alles anders. Mein vorher vorhandener Platz ist so nicht mehr existent. So funktioniert die Welt nun mal: Ein brachliegender Garten wird von Tieren und Pflanzen besiedelt. Ein Arbeitsplatz wird bei einem längeren Ausfall anderweitig besetzt oder die Aufgaben werden zumindest anderweitig verteilt. Dinge, die nicht mehr präsent sind, werden nach und nach vergessen, so auch Menschen.


Mein Platz im Leben wurde nicht freigehalten, warum auch. Man wusste ja nicht, was mit mir ist. Plötzlich war ich nicht mehr in der Lage am “normalen“ Leben teilzunehmen. Ich konnte nicht mehr arbeiten, mich nicht mehr mit Freunden oder Kollegen treffen und auch meine Hobbies lagen mit einem mal brach. Ich konnte mich nicht einmal erklären, da mich jede Form der Kommunikation überforderte.


Ich kann niemanden die Schuld geben und keinem böse sein, es ist der normale Lauf der Dinge. Ich muss mich damit abfinden und mir einen neuen Platz suchen, doch das benötigt Zeit und Energie und beides habe ich nicht. Die kurzen Phasen, in denen ich Energie habe, um da zu sein, reichen nicht für eine Wiedereingliederung. Nicht in einen Beruf, nicht in irgendein Leben. Einer kurzen flackernden Präsenz folgt wieder das Untertauchen in den komatösen Zustand. Ich verschwinde erneut und löse mich mit jedem mal ein bisschen weiter auf.


Diese kurzen Momente reichen nicht, um am Leben teil zuhaben, doch sie reichen, um mir schmerzhaft vor Augen zu halten, was ich nicht mehr kann und mit jedem mal mehr verliere. Es ist ein Leben auf Raten, nur dass das zur Verfügung stehende Leben noch dazu das von anderen ist.


Grosse Trauer überkommt mich. Trauer um all das, was ich bereits jetzt durch die Erkrankung verloren habe. Ich weiss, diese Trauer ist wichtig und notwendig, um irgendwann, irgendwie einen neuen Anfang zu finden, doch im Moment macht mir das alles einfach nur Angst...


Ich muss darauf vertrauen, dass die Menschen, die ich liebe auf mich warten werden. Dass ich für sie weiter wertvoll bin und sie da sein werden, wenn ich wieder auftauche. Darauf vertrauen, dass sie mich mit offenen Armen voller Freude, Liebe und Verständnis empfangen werden...

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