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  • AutorenbildUrsula Wohlrab

Running to stand still

Aktualisiert: 18. Sept. 2023

Es ist immer wieder das gleiche, ich schaffe es einfach nicht, mit meinen Kräften hauszuhalten. Sobald auch nur der kleinste Funken Energie vorhanden ist, stürme ich los. Wie ein Pendel, das man anstößt, schwinge ich hin und her. Doch im Gegensatz zum Pendel werde ich mit der Zeit nicht langsamer, sondern immer schneller. Ich spüre meine Grenzen nicht mehr und ignoriere die schmerzvollen Hilferufe meines Körpers oder reduziere sie durch Medikamente. Ich übergehe alle Signale so lange, bis die Schnur am Pendel reißt und der Zusammenbruch erfolgt.


Wenn dies geschehen ist, liege ich klagend, voller Schmerzen und Erschöpfung im Bett und beschimpfe mich für mein Fehlverhalten. Doch statt daraus zu lernen nutze ich die Selbstvorwürfe um mich wieder anzutreiben. Sobald die schlimmste Erschöpfung überwunden ist und Medikamente die Schmerzen auf ein erträgliches Maß reduziert haben, mache ich unverändert weiter.


Ich aktiviere mich, renne bis ich zusammenbreche, klage und beschimpfe mich, aktiviere Energie, die gar nicht vorhanden ist, renne erneut bis ich zusammenbreche um dann wieder von vorne zu beginnen.


Wenn ich es nicht schaffe dieses Muster zu unterbrechen, weiß ich, dass ich eines Tages gar nicht mehr aufstehen werde. Ein solch toxisches und uneinsichtiges Verhalten kann mich auf Dauer umbringen. Obwohl mir das bewusst ist und ich leben will, schaffe ich es nicht, die Krankheit und die nötigen Verhaltensweisen zu akzeptieren.


Ich renne um der Angst, die die Krankheit in mir auslöst, zu entkommen.


Ich habe grauenvolle Angst vor der Abhängigkeit, die die Erkrankung mit sich bringt. Nicht mehr frei entscheiden zu können, wann ich was und wie viel machen möchte. Nicht mehr frei agieren zu können und immer damit rechnen zu müssen, dass in der nächsten Stunde nichts mehr geht. Nicht mehr planen zu können und mich daher unzuverlässig fühlen. Geistig nicht mehr voll da zu sein. Mich nicht mehr erinnern können, wo die Teller sind, Dinge zu vergessen, die Orientierung verlieren und mich nicht mehr zurecht zu finden. Worte nicht mehr zu finden, Worte zu sagen, die gar nicht passen oder gar nicht mehr Reden zu können. Zum Aufstehen zu erschöpft zu sein und selbst das Atmen als Zumutung zu empfinden. Immer wieder Atemnot zu haben, die mich in Todesangst versetzt und Panikattacken auslöst. Nie zu wissen, ob mein Darm verrückt spielt und ich losrennen muss. Die kleinsten Geräusche als schmerzhaft zu empfinden, mich in der Dunkelheit verkriechen zu müssen und meine Familie, die ich liebe nicht in meiner Nähe ertragen zu können. Ich habe Angst, in meinem Zimmer dahinzuvegetieren, zu vergammeln und kein Leben mehr zu haben.


Doch wenn ich unverändert weitermache, renne ich um mein Leben in den Tod.

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